Millionen USD bleiben auf der Strecke

Gibt es einen Schadenerstz gegen institutionelle Investoren bei unterlassener Anspruchsgeltendmachung? Wie stark muss der Institutionelle seine Investitionen zur Wahrung der Interessen seiner Kunden schützen? Ein Gastkommentar zum Thema von Dr. Rolf Majcen. Funds | 03.11.2005 11:35 Uhr
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Es ist unbestritten, dass US-Gemeinschaftsklagen wegen Aktienbetrug („securities class action“ (1)) von institutionellen Investoren (Kapitalanlagegesellschaften, Fondsgesellschaften, Versicherungen, Pensionskassen, etc.) mit Sitz in Europa in der Vergangenheit selten und zögernd erhoben wurden; ebenso wurden Forderungen auf Zahlungen aus derartigen Prozessen und Vergleichsabschlüssen („settlement action“) mangels entsprechenden Wissens über solche nur vereinzelt gestellt.

Millionen US-Dollar bleiben auf der Strecke

Eine Studie von James D. Cox und Randall Thomas vom Februar 2005 (2) bringt zum Ergebnis, dass nur etwa 28 % der anspruchsberechtigten institutionellen Investoren entsprechende Forderungen im Zuge von (verglichenen) Sammelklagen, die wegen Verletzung des US-amerikanischen Aktienrechts erhoben wurden, einbringen. Diese Ziffer ist niedrig, wenn man berücksichtigt, dass im Jahr 2004 durch derartige auf Schadenersatz gerichtete Klagen ein Betrag von über 5 Milliarden US-Dollar zur Verteilung an geschädigte Anleger erstritten wurde (3). Und im Jahr 2005 beläuft sich diese Summe bis dato auf über 16 Milliarden USD (4)! Durch mangelnde Einreichung von Anspruchsforderungen wegen Unternehmensbetrug bleiben Millionen US-Dollar auf der Strecke, von denen letztendlich jene Gläubiger profitieren, die sich um die eigene Schadensbegrenzung und Rückholung von Geldern bemüht haben; doch liegt es im Ermessen des zuständigen Richters, nicht geltend gemachte Zahlungen auch karitativen Zwecken zukommen zu lassen.

Extrem hohe Vergleichszahlungen

Ein Blick auf die Summen, die bei Aktionärssammelklagen in den USA in der Vergangenheit verglichen worden sind, soll die Bedeutung zum Ausdruck bringen, um die es für geschädigte Anleger eigentlich geht: WorldCom Inc. und Citygroup Inc. zahlten 2,65 Mrd. USD, Global Crossing Ltd. 245 Millionen USD, Symbol Technologies Inc. 102 Millionen Dollar und Honeywell International Inc. immerhin auch noch 100 Millionen USD. Die Höhe der Zahlungen, die durch verantwortungsbewusste (treuhändische) Investoren für deren Kunden wiederbeschafft werden können, ist also alles andere als unbedeutend.  So wurde etwa während eines im April 2005 abgehaltenen Forums der Pennsylvania Association of Public Employees Retirement Systems von deren Direktor Jeff Clay verkündet, dass seine Organisation allein im Jahr 2004 zwölf Millionen USD aus Ansprüchen in Zusammenhang mit Aktionärssammelklagen zurückholen konnte.

Ersatzansprüche gegen institutionelle Investoren?

Die mangelnde Geltendmachung von Ansprüchen könnte auf Seiten von Privatanlegern, die mittelbar über ihr Investment bei institutionellen Investoren durch Unternehmensbetrug und Fehlverhalten von Emittenten geschädigt wurden, die Frage aufwerfen, welcher Sorgfaltspflicht der Institutionelle in bezug auf die Anspruchsverfolgung unterliegt und unter welchen Voraussetzungen Haftungsansprüche erwachsen könnten. Wie stark muss der Institutionelle seine Investitionen zur Wahrung der Interessen seiner Kunden schützen? Wo liegen eigentlich die Grenzen der (noch) vertretbaren Maßnahmen zur Überwachung von tatsächlichen und möglichen Ansprüchen, die durch Betrug und Fehlverhalten „schwarzer Schafe am Kapitalmarkt“ entstehen? Kann ein europäischer institutioneller Investor von seinen Kunden zur Verantwortung gezogen werden, weil er es verabsäumt hat, Schadenersatzansprüche als Leitkläger einer US-Aktionärsklage geltend zu machen? Oder weil er es bloß versäumt hat, Anspruchsforderungen auf Zahlungen aus Vergleichen, die im Zuge dieser Prozesse verhandelt wurden, innerhalb der durch die US-Gerichte bestimmten Fristen einzureichen?

Haftung durchaus möglich!

“Institutional investors have a fiduciary responsibility to monitor securities class action suits and file claims on behalf of their clients”, ist der Homepage des International Shareholder Service, ISS (5) zu entnehmen. Und genau darauf stützten sich zu Beginn des Jahres 2005 mehrere Anteilinhaber bei ihren Klagen gegen renommierte Fondsgesellschaften wie  Merrill Lynch, Vanguard, Wells Fargo, Janus oder Dreyfus im Gesamtstreitwert von über einer Milliarde USD (6); den Beklagten gelang es allerdings in der Folge entsprechende Sorgfalt bei der Anspruchsverfolgung nachzuweisen und die Prozesse abzuwenden.

Bis dato wurde die Haftungsfrage noch von keinem Gericht rechtskräftig entschieden; würde jedoch die vor einigen Jahren durchaus in Analogie zu diesen Klagen ergangene Entscheidung aus dem Caremark Derivative Verfahren (7) zur Lösung gegenständlicher Rechtsfrage herangezogen werden, oder interpretiert man die Sorgfaltspflicht von Geschäftsführern unter dem Gesichtspunkt des Anlegerschutzes und bestmöglicher Wahrung der ihnen anvertrauten Kundenvermögen, so könnte man durchaus zum Schluss gelangen, dass institutionelle Investoren mit Sitz in einem europäischen Staat dazu verpflichtet sind, ein geeignetes (Überwachungs-)System zur Einreichung von Anspruchsforderungen zu unterhalten und auch Ansprüche geltend machen müssen, die bei US-Aktionärssammelklagen erstritten wurden.

Lösungsmöglichkeiten

Wie können sich Institutionelle vor einer Klageflut schützen? Die einfachste und gleichzeitig sicherste Möglichkeit, sich vor allfälligen Klagsansprüchen von Anteilinhabern, Versicherungsnehmern oder Anwartschaftsberechtigten einer VRG zu schützen liegt in der Kooperation mit auf US-Aktionärsklagen spezialisierten Firmen, die über modernste Portfolioüberwachungssysteme verfügen und auf Erfolgsbasis honoriert werden. So bieten erstklassige Anwaltskanzleien, wie beispielsweise Schiffrin & Barroway (Philadelphia), für Institutionelle einen kostenlosen Überwachungsservice an: Dazu müssen institutionelle Investoren lediglich die Wertpapiertransaktionen der vergangenen fünf Jahre (zB Investmentfonds X) in elektronischer Form zur Verfügung stellen; in der Folge werden diese Daten in eine geschützte Datenbank eingespeist und regelmäßig in Hinblick auf mögliche Ansprüche analysiert. Mit einem derartigen Service erhalten Institutionelle die Sicherheit, um ihren Verpflichtungen als Treuhänder nachzukommen, um mögliche Klagen ihrer Kunden mit dem Argument, dass die Gesellschaften, als Treuhänder von Kundengeldern, es verabsäumt hätten, Schadenersatzforderungen aus verglichenen Aktionärssammelklagen geltend zu machen, abzuhalten und vor allem, um Zahlungen aus Aktionärssammelklagen wiederzubeschaffen (8). 

Ausblick

Man kann gespannt in die (nahe) Zukunft blicken, ob und wie die Praxis und die Rechtsprechung in Europa die Auseinandersetzung mit dem Thema der US-Aktionärsklage aufnehmen und ob dadurch auch für europäische institutionelle Investoren – soferne die materiellen Voraussetzungen zur Geltendmachung von Ansprüchen gegeben sind – neue Maßstäbe an den Grad der Sorgfaltspflicht zur Wahrung der Kundeninteressen und Sicherheit der ihnen anvertrauten Kundengelder gesetzt werden. Dass es sehr einfache und kostenmäßig (derzeit noch) nicht ins Gewicht fallende Möglichkeiten gibt, allfälligen Haftungsansprüchen gelassen gegenüberstehen zu können, wurde ja deutlich genug aufgezeigt.


(1) Aktionärssammelklage: Eine von Aktionären eines Unternehmens erhobene Sammelklage gegen ein Unternehmen, seinen Vorstand, seine Wirtschaftsprüfer oder andere, denen Verstöße gegen US-Aktiengesetze vorgeworfen werden. Klagen gemäß Rule 23 (b)(3), Federal Rules of Civil Procedure (F.R.C.P.) spielen in der Praxis die größte Bedeutung.

(2) Cox/Thomas, Letting Billions Slip Through Your Fingers: Empirical Evidence and Legal Implications of the failure of Financial Institutions to participate in Securities Class Action Settlements (2005).

(3) http://www.issproxy.com/institutional/analytics/scas.jsp.

(4) Gespräch zwischen dem Autor und Darren Check, Kanzlei Schiffrin & Barroway vom 23.11.2005, www.sbclasslaw.com. Die US-amerikanische Anwaltskanzlei Schiffrin & Barroway ist seit fast 20 Jahren auf Gemeinschaftsklagen spezialisiert und hat während dieser Zeit alle Arten von Investoren bei der finanziellen Entschädigung für Verluste durch Betrug oder anderem Fehlverhalten repräsentiert. S&B hat sich in den Vereinigten Staaten einen hervorragenden Ruf erworben und mehr als 1 Milliarde Dollar für die Opfer von Betrug und anderem Fehlverhalten durch Unternehmen erstritten.

(5)http://www.issproxy.com/institutional/analytics/scas.jsp.

(6) The New York Times, 19.1.2005, Suits Contend Mutual Funds Fail to Collect in Settlements

(7) In re Caremark International Inc. Derivative Litigation, 698 A.2d 979 (Del. Ch. 1996); dabei ging es um die Notwendigkeit, funktionierende Überwachungs-, Informations- und Reportingsysteme an den Aufsichtsrat aufrechtzuerhalten um auf Compliance-Verstösse reagieren zu können.

(8) Siehe dazu beispielsweise das von Schiffrin & Barroway entwickelte Überwachungssystem „Securities Tracker“, das eine schnelle und einfache Integration der Transaktionsdaten eines Mandanten ermöglicht. Auf diese Weise können eventuelle Verluste bei neuen Fällen erkannt werden ( www.sbclasslaw.com).


Zum Autor:
Dr. Rolf Majcen ist Legal & Compliance Officer bei FTC, www.ftc.at. Im Zuge seiner vormaligen Tätigkeit als Leiter der Rechtsabteilung einer österreichischen Kapitalanlagegesellschaft begann er, sich mit dem Thema der US-Aktionärssammelklage zu beschäftigen und war unter anderem im Parmalat Fall bei der Entscheidung des US-Bundesgericht, Süddistrikt von New York, vor Ort, als Judge Kaplan in einer aufsehenerregenden Entscheidung europäische Investoren zum Leitkläger ernannte.


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